Der Mäzen Dietmar Hopp und sein Club unternehmen daher seit einigen Jahren intensive Anstrengungen, um sich ein neues, fanorientiertes Image zuzulegen.
Nun könnte aber die Aktion eines angeblichen Einzeltäters die ganzen Bemühungen zunichte machen: Zum letzten Heimspiel gegen den BVB wurde im Hoffenheimer Stadion direkt vor der Dortmunder Kurve ein Gerat installiert, welches immer wenn die auswärtigen Fans einen Schmähgesang gegen die TSG und Hopp angestimmt haben, einen ohrenbetäubenden Klang von sich gegeben hat.
Das Ganze hat inzwischen Dimensionen angenommen, so dass nun der DFB ermittelt, nach mehreren Anzeigen auch die Staatsanwaltschaft tätig wurde und auch die Fans der schwarz-gelben Borussia sich nun aktiv eingeschaltet haben.
Wir drucken an dieser Stelle den offenen Brief der Fans im Wortlaut ab:
Sehr geehrter Herr Hopp,
angesichts der aktuellen Entwicklungen möchten wir als schwatzgelb.de uns direkt an Sie wenden.
Immer und immer wieder ist zu lesen, dass Sie von beleidigenden und zweifelsfrei niveaulosen Sprechchören, Gesängen und Transparenten gegen Ihre Person tief getroffen werden. Sie betonen immer und immer wieder, wie weh Ihnen das tut.
Dass Sie diese Schmährufe derart persönlich nehmen, ist schade und vor allem völlig unangebracht.
Mit dem Schritt in den großen Profi-Fußball haben Sie und auch die TSG Hoffenheim sich auf ein völlig neues Terrain gewagt. Doch während man bundesligataugliche Spieler mit Geld kaufen und eine bundesligataugliche Infrastruktur mit Geld bauen kann, kann man ein Umfeld, das mit der Mentalität, die in den höheren Spielklassen herrscht, umzugehen weiß, nicht kaufen. Um auf den Rängen mithalten zu können, braucht es Erfahrung, viel Erfahrung. Und ein dickes Fell. Denn Beleidigungen gehören auf den Rängen eines Fußballstadions so zum Alltag wie Fouls auf dem Rasen.
Verbale Fouls und solche in Form von Tritten in die Wade gehen doch im Fußball Hand in Hand. Nimmt es denn Spieler A persönlich, wenn Spieler B ihm gerade mit einem Foul eine Torchance geraubt hat? Nein! In jedem Foul steckt doch quasi die Metabotschaft: „Sorry, ist nicht persönlich, aber ich muss dir jetzt die Beine wegtreten, weil ich nicht verantworten kann, dass du ein Tor gegen meine Mannschaft schießt.“ Das ist doch Konsens. Das wissen alle Spieler.
Auf den Rängen ist es identisch. Glauben Sie etwa, auch nur ein BVB-Fan fühlt sich persönlich beleidigt, wenn er in Gladbach, Köln, Frankfurt… und sogar in Hoffenheim das Lied von den „BVB-Hurensöhnen“ hören muss? Wo kämen wir denn da hin? Das perlt ab, weil doch jeder weiß, wie es gemeint ist. Hat Ihnen das wirklich niemand gesagt? War Ihnen das mit all Ihrer Erfahrung und der Weisheit des Alters wirklich nicht bewusst?
Eines ist aber auch klar: Es gibt natürlich einen Unterschied zwischen der Diffamierung einer ganzen Gruppe und einer einzelnen Person. In Ihrem Falle ist es doch aber so, dass Fans aller Vereine, außer vermutlich Leverkusen, Wolfsburg und RB Leipzig, das Projekt Hoffenheim konsequent ablehnen. Diese Ablehnung betrifft aber in ähnlichem oder gleichem Maße Bayer Leverkusen, den VfL Wolfsburg und ganz besonders RB Leipzig. Es gibt zwischen den drei genannten Klubs und der TSG Hoffenheim allerdings einen feinen, aber wichtigen Unterschied: Sie.
Sie, Herr Hopp, sind das Gesicht der TSG Hoffenheim. Sie sind das Gesicht des Projekts Hoffenheim. Sie sind das Gesicht einer Entwicklung, die wir Fans ablehnen. Darum fokussieren sich Schmähgesänge auf Sie als Person. Weil bei keinem der anderen genannten Vereine ein einzelner Mensch so sinnbildlich für diese – wie wir finden – gefährliche Entwicklung für den Fußball steht. Wir wollen keine Klubs aus der Retorte. Und wir wollen keine Mäzene, die einen Klub hätscheln und großziehen und ihm von jetzt auf gleich Dinge ermöglichen (Jugendleistungszentren zum Beispiel), die sich andere Vereine sauer verdienen müssen.
Sollte die Schall-Attacke in Hoffenheim wirklich das Werk zweier übereifriger Männer gewesen sein, macht das die Sache im Übrigen auch nicht besser. Vielmehr spräche diese Aktion Bände darüber, welches Klima bei der TSG herrscht, dass sich Mitarbeiter im vorauseilenden Gehorsam zu Ihren Vollstreckern machen und zur Selbstjustiz greifen und dabei nicht nur möglicherweise gegen DFL-Statuten verstoßen, sondern in die körperliche Unversehrtheit von Fans eingreifen. Ist man Ihnen bei der TSG dermaßen hörig? Ist das das Klima, das Sie haben wollen?
Wenn Mäzene und Konzerne sich nach Belieben in Vereine „einkaufen“ und die Bundesliga erobern können, dann muss das all den Fans sauer aufstoßen, die seit Jahren und Jahrzehnten mit ihren Vereinen fiebern, Abstiege betrauern mussten und Meisterschaften bejubeln durften. Die den ganzen Fußball mit seiner Emotionalität und Unkalkulierbarkeit so sehr lieben.
Man muss kein ewiggestriger Nostalgiker sein, wenn man fordert, dass im Fußball bitte jeder Verein nur mit den Mitteln arbeitet, die er sich erarbeitet. Als BVB-Fans wissen wir, wovon wir reden, denn wir sind beinahe Opfer der Hybris eines Präsidenten geworden. Blind sind wir ihm gefolgt und wären beinahe in unser Verderben gerannt. Viele sagen, der BVB habe damals Glück gehabt. Das stimmt. Aber dass der BVB damals von Sponsoren und Gläubigern gerettet wurde, hat er sich in gewisser Weise auch erarbeitet. Nämlich durch Tradition und die daraus erwachsene Verwurzelung nicht nur in Dortmund, sondern in den Köpfen und Herzen des ganzen Landes.
Wer würde der TSG Hoffenheim in ähnlicher Situation helfen, wenn Sie einmal nicht mehr da sind?
Viele Fans würden sicherlich gerne einmal sachlich über Ihre Rolle im Fußball diskutieren und darüber, warum Modelle wie Hoffenheim oder Leipzig auf so viel Abneigung stoßen. Allein: Wären Sie dazu bereit? Haben Sie jemals in Erwägung gezogen, sich einer größeren Fanrunde zu stellen und zu diskutieren? Hat es jemals eine Reaktion auf humorige und kreative Plakate gegen das Projekt Hoffenheim gegeben? Nein. Keine Beleidigung, keine Reaktion. Auf „Sohn einer Hure“ kommt sofort eine Reaktion, was offenbar viele zu der Ansicht bringt, dass Sie und die TSG nur auf Schläge mit der großen Keule reagieren, während Sie aber gleichzeitig nicht in der Lage sind, die Ängste der Fans anderer Klubs ernst zu nehmen.
Herr Hopp, wir laden Sie hiermit herzlich nach Dortmund ein, um mit Fans von Borussia Dortmund, vielleicht im Rahmen einer Podiumsdiskussion, über das Projekt Hoffenheim und Ihre Rolle im Fußball zu diskutieren. Wir würden uns freuen, wenn Sie unserer Einladung Folge leisten würden.
In Erwartung Ihrer Antwort verbleiben wir.
Hochachtungsvoll,
Ihre schwatzgelb.de-Redaktion
Redaktion 18.08.2011