Martin Winands vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld führte durch die Veranstaltung. Nach einer kurzen Begrüßung übergab er das Wort an Frau Angelika Ribler.
Frau Ribler engagiert sich seit mehr als zehn Jahren in dem Projekt „Interkulturelles Konfliktmanagement im Fußball“ des Hessischen Fußballverbands. Das Projekt entstand aus der Beobachtung, dass im Amateur- und Jugendbereich eine hohe Zahl von Konflikten während und nach den Spielen ausgetragen wird, die häufig im Zusammenhang mit kulturellen Aspekten oder ethnischen Konflikten stehen.
Fußball sei schon längst interkulturell: 38% der Spieler in Hessen hätten einen „Migrationshintergrund“, 5% der Vereine sind sogenannte „Migrantenvereine“. Spieler mit Migrationshintergrund seien überdurchschnittlich stark an Auseinandersetzungen beteiligt, nachweisbar seien aber auch vergleichsweise härtere Strafen durch die Sportgerichte.
Die Konflikte seien teilweise schon da, bevor der Rasen überhaupt betreten wurde. Bereits vor der Anreise existiere im Kopf der Spieler oft ein negatives Bild von der „anderen“ Mannschaft, häufig die Auswirkung von früheren Erfahrungen oder Vorurteilen. Teilweise werden auch gesamtgesellschaftliche Konflikte über den Fußball symbolisch ausgetragen – so seien nach dem jugoslawischen Bürgerkrieg vermehrt Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der Kriegsparteien zu beobachten gewesen.
Was folgt sind oft zielgerichtete Provokationen (beispielsweise „Scheiß Türke!“ oder „Scheiß Nazi!“) und Fouls, aus denen Platzverweise mit anschließender Rudelbildung entstehen könnten. Mischten sich dann noch Zuschauer und Funktionäre ein, kann es sogar zu Spielabbrüchen kommen.
Die beteiligten Spieler, Trainer und Schiedsrichter seien durch die Konflikte häufig überfordert. Strafen durch die Sportgerichte könnten diese nicht wirklich lösen, beim nächsten Aufeinandertreffen der Beteiligten würden die Konflikte oft fortgesetzt. Die Vereine seien zudem eher bemüht die sichtbare Gewalt zu verhindern, als an den Ursachen der Konflikte zu arbeiten.
Das Projekt „Interkulturelles Konfliktmanagement im Fußball“ setzt diesem unbefriedigenden Zustand ein ausdifferenziertes Konzept mit drei Lösungsstrategien entgegen:
1) Gewaltprävention: Spieler, Trainer, Schiedsrichter und sonstige Beteiligte werden gezielt für interkulturelle Konflikte sensibilisiert und geschult, um Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen und mit bestehenden Problemen besser umgehen zu können.
2) Konfliktbearbeitung: Sind Konflikte schon entstanden, helfen die Projektmitarbeiter bei deren Lösung. Zentrales Werkzeug ist hierfür die Mediation. Die Betroffenen werden an einen Tisch geholt, um Auswege zu finden. Am Ende der Mediation steht eine schriftliche Vereinbarung, in der sich die Betroffenen zu konkreten Besserungsmaßnahmen verpflichten. Von Sportgerichten verhängte Strafen können nach erfolgreicher Mediation reduziert werden, was die betroffenen Vereine und Spieler zusätzlich zum Mitmachen motiviert.
3) Organisationsinternes Konfliktmanagement: Auch die Mitarbeiter des Hessischen Fußballverbandes werden thematisch geschult. Der Verband hat sich zusätzlich verpflichtet, interkulturelle Qualitätsstandards bei seiner täglichen Arbeit zu berücksichtigen.
Auf den kurzweiligen Vortrag von Frau Ribler folgte eine Präsentation von Herrn Prof. Riza Öztürk, dem Integrationsbeauftragten des Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen. Unterlegt mit mehreren Videofilmen des DFB erläuterte er die fünf Integrationsbotschaften des DFB:
1) „Integration fängt bei mir an!“: Jeder einzelne ist gefordert, das Miteinander menschenwürdig zu gestalten und seinen Beitrag zu leisten. Dazu gehört auch, seinen eigenen Standpunkt zu hinterfragen.
2) „Unterschiede verstehen und anerkennen“: Jeder Mensch ist anders. Verallgemeinerungen und Vorurteile bringen niemanden weiter. Man muss miteinander statt übereinander reden und unterschiedliche Einstellungen (z.B. Verzicht auf Alkohol, andere Feiertage, andere Essgewohnheiten) akzeptieren.
3) „Ohne Regeln kein Spiel!“: Fair-Play ist unverzichtbar. Dazu gehört für den DFB neben einem Verzicht auf brutale Fouls, Gewalt und Beleidigungen auch, sich auf dem Platz nur in der Sprache zu verständigen, die alle auch verstehen.
4) „Vielfalt im Fußball“: Fußball spielt jeder gern. Von der Kreisliga bis zur Nationalmannschaft versuchen Menschen verschiedener Herkunft als Mannschaft zu gewinnen. Die Zugehörigkeit zur gleichen Mannschaft eint sie. Egal ob Mann oder Frau. Und auch ohne Trainer anderer Herkunft wäre der deutsche Fußball nicht das, was er heute ist.
5) „Einsatz und Spaß im Fußball“: Der Fußball in Deutschland kann nur aufgrund der vielen ehrenamtlichen Personen funktionieren. Vereine und Verbände brauchen Menschen, die sich einbringen, die Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen. Unabhängig von ihrer Herkunft.
Deutlich wurde durch die Präsentation besonders, dass der DFB spätestens seit Beginn der Präsidentschaft von Theo Zwanziger die herausragende Bedeutung des Fußballs als Integrationsmotor erkannt hat.
So gilt Mesut Özil längst über den Fußball hinaus als das gelungene Beispiel für Integration, auch wenn die Entwicklung sicher noch am Anfang steht.
Die Veranstaltung mündete nach dem Vortrag von Herrn Prof. Öztürk schnell in eine offene Diskussion, in der unter anderem die Themen der Vorträge nochmals aufgegriffen wurden, bevor der Abend um ca. 21.30 Uhr schließlich endete.
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