Das Medieninteresse an dem Urteil war sehr hoch, allerdings wurde das Urteil von den Medien leider oft nicht korrekt wiedergegeben, oftmals wurde das Urteil sogar unzutreffend als Verschärfung gegenüber der bisherigen Praxis oder Erleichterung der Stadionverbotsvergabe dargestellt.
Der ASC hatte damals basierend auf einer umfangreichen Pressemitteilung des BGH eine erste Interpretation veröffentlicht und war dabei zu einem anderen Ergebnis als die Medien gekommen (LINK).
Wie in Gerichtsverfahren üblich, hatte auch der BGH nach der mündlichen Entscheidung vier Wochen Zeit, um das schriftliche Urteil zu fertigen. Erst mit dem Urteilstext ist eine wirkliche Deutung möglich, was das Urteil konkret für die Zukunft bedeutet.
Das jetzt vorliegende Urteil bestätigt erfreulicherweise unsere damalige Interpretation:
1. Der BGH hat zunächst bestätigt, dass die rein willkürliche Vergabe von Stadionverboten rechtswidrig ist: Zwar dürfen die Vereine ihr Hausrecht relativ frei ausüben, die Grundrechte der betroffenen Stadiongänger dürfen hierbei jedoch nicht verletzt werden. Es muss für das Stadionverbot immer ein sachlicher Grund vorliegen.
2. Die Stadionverbotsrichtlinie des DFB wird vom BGH im Regelfall als geeignete und rechtmäßige Grundlage für die Vergabe von Stadionverboten bewertet. Das Gericht ging hierbei natürlich davon aus, dass die Vereine auch sämtliche Regelungen in der Stadionverbotsrichtlinie tatsächlich nutzen:
– So stellte der BGH heraus, dass es für die Vergabe von Stadionverboten und deren Dauer auf die objektiv feststellbaren Details zum Tatablauf und der Beteiligung des betroffenen Fans (Umfang und Schwere des Vergehens etc.), ankommt, und nicht nur auf die reine Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.
In der Praxis ist dies leider nicht immer der Fall. Einige Vereine handelten in der Vergangenheit anhand von Automatismen, nach denen stets die maximal mögliche Stadionverbotsdauer verhängt wurde (z.B. „Landfriedensbruch führt immer zu einem dreijährigen Stadionverbot“).
Das Urteil des BGH bestätigt nun, dass diese Praxis der Vereine rechtswidrig ist.
– Wird das Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft wegen mangelnden öffentlichen Interesses und höchstens geringer Schuld des Beschuldigten nach § 153 StPO eingestellt, so gilt die Schuld nicht als erwiesen.
Die Stadionverbotsrichtlinie sieht vor, dass der Verein in solchen Fällen auf Antrag des Betroffenen überprüfen soll, ob das Stadionverbot aufgehoben oder zumindest die Dauer reduziert wird.
Bei dieser Überprüfung, so stellt der BGH in seiner Entscheidung fest, darf der Verein sich ebenfalls nicht auf die reine Einleitung des Ermittlungsverfahrens berufen. Vielmehr müsse dann anhand der feststellbaren Tatsachen auf den Einzelfall bezogen entschieden werden, ob trotz der nicht bewiesenen Schuld weiterhin von einer zukünftigen Gefährlichkeit des Betroffenen ausgegangen werden kann.
In dem konkreten Fall, den der BGH nun zu entscheiden hatte, wurde dies bejaht: Das Ermittlungsverfahren gegen den betroffenen Bayern-Fan wurde zwar nach § 153 StPO eingestellt, es liegt damit keine nachgewiesene Straftat vor, er habe aber zu einer potentiell gewaltbereiten Gruppe gehört. Es sei daher die Annahme des MSV Duisburg berechtigt gewesen, dass ggf. in der Zukunft Gewalttaten von ihm ausgehen könnten.
Wichtig ist jedoch, dass diese Entscheidung immer auf den Einzelfall bezogen unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände getroffen werden muss. Dies ergibt sich mehr als deutlich aus dem Urteilstext:
Die Stadionverbotsrichtlinien „bilden […] eine geeignete Grundlage für die Vereine, ein Stadionverbot auszusprechen. […] Das enthebt die Vereine andererseits nicht der Notwendigkeit, die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. […] Entscheidend sind nicht die Richtlinien, sondern die konkreten Umstände.“
Dieses Vorgehen bedeutet für die Vereine sicherlich mehr Aufwand, ist aber angesichts des großen Eingriffs, den ein Stadionverbot für jeden Fan darstellt, mehr als nur begründet.